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Die kuriosen Codenamen der Linux-Distributionen

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Bild von Stefan Keller auf Pixabay

Einleitung

Haben Sie sich auch eine glückliche Qualle? Die Codenamen der Linux-Distributionen klingen manchmal etwas seltsam. Oder haben Sie sich noch nie über die merkwürdigen Codenamen ihrer Linux-Distribution gewundert?

Die neuste Version von Linux Mint heißt Una und die nächste Version wird Vanessa heißen. Bei Ubuntu heißt die aktuelle Version Jammy Jellyfish und die nächste Version wird Kinetic Kudu heißen.

Eigentlich ist es relativ egal, wie eine Linux-Distribution heißt. Der Umfang und die Funktion einer Linux-Distribution wird von ihrem Namen nicht beeinflusst. Aber als neugieriger Linux-Nutzer fragt man sich dann doch, warum die Distributionen so heißen wie sie heißen. Offenbar gibt es eine Logik hinter der Namensgebung. Schließlich ist der Name ein fester Bestandteil der einzelnen Version und irgendjemand scheint sich ernsthaft Gedanken über den richtigen Namen zu machen.

Daher sollte es uns auch die Mühe wert sein, die Logik hinter der Namensgebung zu verstehen.

Ich möchte im Folgenden die Namenslogik einiger der wichtigsten Linux-Distribution zu erläutern.

Ubuntu: Über die Versionsnummern und Codenamen

Ubuntu-Logo in künstlerischer Ausgestaltung

Ubuntu ist zweifelsfrei eine der beliebtesten Linux-Distribution und erscheint in einem halbjährigen Versionsrhythmus. Die erste Version eines Jahres erscheint im April und die Zweite im Oktober.

Zu der Namenskonvention von Ubuntu gibt es eine interessante Anekdote. Es soll folgenden Dialog zwischen Mark Shuttleworth und Robert Collins vor Veröffentlichung der ersten Ubuntu-Version gegeben haben:

Robert Collins: Wie lange ist es noch bis zur Veröffentlichung der ersten Version?
Mark Shuttleworth: Der Zeitrahmen sollte herausfordernd sein - maximal noch sechs Monate
Robert Collins: Sechs Monate! Da bleibt nicht mehr genug Zeit um die Version aufzupolieren.
Mark Shuttleworth: Dann sollten wir ihr den Spitznamen “Warziges Warzenschwein” geben!

Der Name ist hängen geblieben. Die erste Mailing-List hieß “Warzenschwein” und auch der entsprechende Chat bei irc.freenode.net.

Das Veröffentlichungsjahr und -monat spielen eine wichtige Rolle bei der Versionsnummer der Ubuntuversionen. Jede Ubuntuversion hat eine Versionsnummer im Format JJ.MM. Wobei das JJ das Veröffentlichungsjahr und MM den Veröffentlichungsmonat bezeichnet. Daraus folgt, dass Ubuntu 22.04 im April 2022 veröffentlicht wurde und die im Oktober erscheinende Version Ubuntu 22.10 heißen wird.

Da die neuen Ubuntuversionen immer im April und Oktober erscheinen, können die letzten beiden Ziffern der Versionsnummern auch nur die 04 und die 10 sein.

Seit der ersten Ubuntuversion 2004 wurde von diesem festen Schema nur einmal abgewichen. Die erste Version 2006 erschien nicht im April, sondern im Juni und heißt entsprechend Ubuntu 6.06 “Dapper Drake”.

Aber zurück zum Codenamen. Die Codenamen für Ubuntu bestehen immer aus zwei Worten, die einen Stabreim bilden. Das erste Wort ist ein Adjektiv und das Zweite benennt eine bedrohte Tierart. Wobei es auch schon ein Einhorn und ein Werwolf dabei waren - aber möglicherweise sind auch das bedrohte Arten.

Die Namen folgen den Alphabet, so das auf das Artful Aardvark der Bionic Beaver folgte. Die aktuelle LTS-Version heißt beispielsweise Jammy Jellyfish. Was sich im Deutschen mit glückliche Qualle übersetzen lässt.

Auf der Seite von Ubuntu-Users gibt es eine Aufzählung aller bisher vergebenen Codenamen und ihrer deutschen Übersetzungen.

Die Ubuntu-Codenamen erweitern durchaus den Englisch-Wortschatz, da man sicherlich viele der Tierbezeichnung noch nicht gekannt hat. Oft hat man wohl auch gar nicht gewusst, dass es eine solche Tierart überhaupt gibt. Das Nachlesen auf Wikipedia, etc. schließt somit auch gleich einige Wissenslücken.

Die Aufmerksamkeit ein wenig auf eher unbekannt, bedrohte Tierarten zu lenken ist sicherlich auch ein Ziel bei der Vergabe der Codenamen.

Linux Mint: Über die Versionsnummern und Codenamen

Linux ist gut für dich!

Der entfernte Vetter (wenn ich das so sagen darf) von Ubuntu, Linux Mint, ist eine weitere beliebte Linux-Distribution. Dann schauen wir uns also mal die Logik der Versionsnummern und des Codenamens an.

Linux Mint basiert auf Ubuntu. Jeweils ein paar Monate nach einer neuen Ubuntu-LTS-Version erscheint auch eine neue Version von Linux Mint, die auf der entsprechenden Ubuntu-Version basiert.

Im Gegensatz zu Ubuntu verwendet Linux Mint aber nicht den Monat oder das Jahr in seiner Versionsnummer. Die erste Version war schlichtweg die Version 1 und seitdem wird die Nummer laufend hochgezählt. Die Version 21 sollte in den nächsten Tagen erscheinen.

Das gilt soweit für die Hauptausgaben von Linux Mint. Bei den Zwischenausgaben (ganz, ganz grob vergleichbar mit den Service Packs von Windows) wird die Versionsnummer lediglich um einen Dezimalpunkt angehoben. Aus der Version 20 wird die Version 20.1 und später die Version 20.2, etc.

Soweit zu den Versionsnummern, schauen wir uns nun die Codenamen an. Jede neue Linux Mint-Version erhält einen eigenen Codenamen. Das gilt sowohl für die Hauptausgaben als auch für die Zwischenausgaben. Wie auch bei Ubuntu sind die Codenamen alphabetische aufsteigend.

Die Versionen erhalten Frauennamen, die auf den Buchstaben a enden. Das verschafft uns so schöne wie seltene Frauennamen wie Qiana, etc.

Bei jeder neuen Hauptausgaben wird im Alphabet um einen Buchstaben hochgezählt. Bei den Zwischenausgaben wird zwar ein neuer Codenamen vergeben, aber es bleibt bei dem selben Buchstaben. Beispiele sind Linux Mint 20 “Ulyana”, gefolgt von Linux Mint 20.1 “Ulyssa”, dann Linux Mint 20.2 “Uma” und schließlich Linux Mint 20.3 “Una”. Mit dem nun folgenden Linux Mint 21 “Vanessa” sind wir dann schon wieder bei einer neuen Hauptausgabe.

Der Wikipedia-Artikel zu Linux Mint listet die bisherigen Versionsnummern und Codenamen auf.

Linux Mint Debian Edition (LMDE): Über die Versionsnummern und Codenamen

Neben der auf Ubuntu basierenden Version gibt es von Linux Mint auch noch eine Version, die stattdessen direkt auf Debian basiert.

Ab der Version 2.0 wird ebenfalls fortlaufend hochgezählt. Dabei steigt die Versionsnummer immer um eins, wenn als Basis eine neue Debian-Version verwendet wird, LMDE 4.0 basiert auf Debian 10 “Buster” und LMDE 5.0 auf Debian 11 “Bullseye”. Alle Version haben eine Null am Ende. Zwischennummern sind bisher nicht vergeben worden.

Analog zur auf Ubuntu basierenden Linux Mint-Version wird auch diese Ausgabe nach Frauen benannt - ebenfalls alphabetisch aufsteigend. Zur Unterscheidung enden die Namen hier aber auf einen i-Laut (die Schreibweise kann auch auf y oder ie lauten).

Der Wikipedia-Artikel zu Linux Mint listet die bisherigen Versionsnummern und Codenamen auf.

Elementary OS: Über die Versionsnummern und Codenamen

Pinguin-Zeichnung

Da wir bereits so schön über Ubuntu und Linux Mint gesprochen haben, sollten wir den Kreis auf Elementary OS erweitern, dass ebenfalls auf Ubuntu basiert.

Die Logik der Versionsnummern wurde im Zeitverlauf bereits einmal geändert. Ursprünglich begannen die Nummern immer mit einer führenden Null gefolgt von einem Punkt und dann einer fortlaufenden Nummer. Die erste Version war damit die 0.1, gefolgt von der 0.2, etc. Dabei kann es auch Unterversionen wie die 0.4.1 geben.

Ab der fünften Version wurde das Nummernschema leicht überarbeitet und die führende Null wurde weggelassen. Damit folgt auf die Nummer 0.4.1 die Nummer 5.0.

Die führende Nummer wird immer um eins erhöht, wenn die Basis eine neue Ubuntu-LTS-Version ist. So basieren 5.0 und 5.1 auf Ubuntu 18.04, 6.0 und 6.1 aber auf Ubuntu 20.04.

Bei den Codenamen verwendet man Namen von Göttern vorwiegend aus der römischen oder nordischen Mythologie. Dabei folgt die Reihenfolge keinen alphabetischen Vorgaben. Bisher wurden folgende Namen in dieser Reihenfolge vergeben: Jupiter, Luna, Freya, Loki, Juno, Hera, Odin und Jólnir. Die nächste Version wird, wenn sie erscheint, Horus heißen.

Der Wikipedia-Artikel zu Elementary OS listet die bisherigen Versionsnummern und Codenamen auf.

Interessanterweise sollte die Version 0.3 “Freya” eigentlich nach der ägyptischen Göttin Isis benannt werden. Da aber auch eine Terrororganisation manchmal mit ISIS abgekürzt wird, hat man sich entschieden den Namen zu ändern um Missverständnisse auszuschließen.

Debian: Über die Versionsnummern und Codenamen

Debian-Schriftzug, kein offizielles Logo

Wenden wir uns nun dem Urgroßvater von Ubuntu, Linux Mint und Elementary OS zu. Debian, von dem Ubuntu abstammt, verfügt über ein relativ kurioses Namenssystem.

Debian vergibt seine Versionsnummern aufsteigend. Das ist noch nicht der interessante Teil. Spannender ist, dass die Codenamen alle nach Figuren aus den Toy Story-Filmen benannt werden. Entsprechend heißen die Versionen Woody, Jessie, Buster, Bookworm, etc.

Dabei folgt die Reihenfolge keinen alphabetischen Vorgaben.

Der Wikipedia-Artikel zu Debian listet die bisherigen Versionsnummern und Codenamen auf.

Erinnern Sie sich noch an die Figur “Sid Phillips”? Das ist der Nachbarsjunge, der immer sein Spielzeug kaputt macht. Nach ihm werden alle noch nicht stabilen Versionen (“unstable”) Sid genannt.

Es gibt eine große Vielzahl an Charakteren in Toy Story, so dass dem Debian-Projekt die Codenamen noch sehr lange nicht ausgehen werden.

grml: Über die Versionsnummern und Codenamen

Nicht unerwähnt bleiben darf die aus Österreich stammende Distribution grml. Die sich grummel ausspricht. Bei der eher unbekannten Distribution handelt es sich um ein Live-System, das dafür gedacht ist erfahrene Systemadministratoren bei Aufgaben wie der Systemrettung zu unterstützen.

Die Versionsnummern sind noch nicht ungewöhnlich. Sie bestehen aus dem Jahr und dem Monat der Veröffentlichung. Getrennt durch einen Punkt. Also beispielsweise 2012.05.

Wirklich spannend sind aber die Codenamen. Auch wenn diese keiner eigenen Logik zu folgen scheinen sind sie doch immer ungewöhnlich.

Hier ein paar Namensbeispiele: 2008.11 “Schluchtenscheisser”; 2009.05 “Lackdosen-Allergie”; 2011.12 “Knecht Rootrecht”; 2012.05 “Ponyhof”; 2020.06 “Ausgehfuahangl.

Der Wikipedia-Artikel zu grml listet die bisherigen Versionsnummern und Codenamen auf.

Keine Codenamen mehr: Open Suse und Fedora

Verwenden alle Linux-Distribution Codenamen? Nein, es gibt auch Distributionen ganz ohne Codenamen und Distributionen, die früher Codenamen verwendet haben, heute aber davon abgegangen sind.

Schauen wir uns zwei davon einmal genauer an.

grüner Gecko, kein offizielles Logo

Zum einen ist da Open Suse. Open Suse verwendet Versionsnummern nach dem Muster X.Y. Dabei erhöht jede neue Hauptversion das X um eine Nummer und jede Zwischenversion erhöht das Y um eine Nummer. Damit entstehen dann Versionen wie 11.4, 12.1, 15.3, etc.

An einer Stelle wird diese Logik aber durchbrochen. Eine Version 14.Y wird man vergebens suchen. Stattdessen gibt es die Version 42. Warum das?

Zu dem Zeitpunkt wurde die Open Suse-Distribution in zwei Zweige aufgeteilt. Der eine Zweig (“Tumbleweed”) folgt dem Prinzip eines Rolling Releases und der andere Zweig (“Leap”) folgt dem klassischen Distributionsprinzip jeweils pro Jahr eine neue Version zu veröffentlichen.

Diese “neue Ära” sollte durch eine besondere Versionsnummer kenntlich gemacht werden. Da die Aufspaltung in zwei Zweige unter dem Codenamen “42” vorbereitet wurde, wurde die erste Version nach der Aufspaltung als Version 42.1 bezeichnet.

Grundsätzlich ist die Zahl 42 hier natürlich auch eine Anspielung auf das Buch “Per Anhalter durch die Galaxis” von Douglas Adams in dem die Zahl 42 in einer Szene eine wichtige Rolle spielt.

Zwischen 2009 und 2018 verwendete Open Suse auch Codenamen für die einzelnen Versionen. Da Grün die Hausfarbe von Open Suse ist, hatten die Codenamen immer etwas mit der Farbe Grün zu tun. Die Versionen hießen beispielsweise Teal, Emerald oder Malachite.

Schließlich ist man aber von der Vergabe von Codenamen abgegangen. Ob ihnen die “grünen” Begriffe ausgegangen sind?

Tux mit Fedora-Hut

Eine andere Linux-Distribution, die keine Codenamen mehr verwendet ist Fedora. Fedora hat lange Zeit in der Tradition von Red Hat Linux (nicht zu verwechseln mit Red Hat Enterprise Linux) auch Codenamen verwendet. Dabei folgte die Reihenfolge keinen alphabetischen Vorgaben.

Die Codenamen folgten auch keinen thematischen Vorgaben. Öfters wurden Versionen nach Städten benannt. Zweimal sogar nach Städten in Baden-Württemberg (Heidelberg und Tettnang). Aber auch nach Schriftstellern (Jules Verne) oder physikalischen Gedankenexperimenten (Schrödingers Katze, Spherical cow).

Die einfache Regel war, dass jeder Codename in einer Beziehung zum vorherigen Codenamen stehen musste. In welcher, war dabei egal. So folgte auf die Version “Moonshine” die Version “Werewolf”. Die Beziehung war der Vollmond, sowohl Mondschein als auch Werwölfe treten bei Vollmond auf.

Eigentlich eine ganz nette Sache, aber nach Fedora 20 “Heisenbug” war 2013 Schluss mit Codenamen.

Sinn und Unsinn von Codenamen: Was denken Sie?

Wie sehen Sie Codenamen? Sind sie hilfreich, weil man sich Namen besser merken kann als Nummern? Geben sie den einzelnen Versionen “Persönlichkeit”? Oder sind sie überflüssig?

Und welche Logik der Codenamen hat Ihnen am Besten gefallen? Egal wie Sie es sehen, Sie dürfen mir gern eine Rückmeldung z. B. über Mastodon geben.

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Dieser Artikel ist eine überarbeitete Übersetzung eines Artikels von Abhishek Prakash und erschien zuerst auf It’s FOSS. Lizenz: CC BY-SA 4.0. Sofern nicht anders angegeben stammen die Bilden von OpenCliparts.Org.


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